Die Bischöfe der Priesterbruderschaft St. Pius X.

Am 30. Juni 1988 weihten Erzbischof Marcel Lefebvre, der Gründer der Priesterbruderschaft St. Pius X., und der emeritierte Bischof von Campos in Brasilien, S. E. Antonio de Castro Mayer, im Seminar von Ecône in Anwesenheit von 10 000 Gläubigen und hunderter Priester und Ordensleute vier Bischöfe.

Die vier neuen Bischöfe, Bernard Tissier de Mallerais (geboren 1945 in Frankreich), Richard Williamson (geboren 1940 in England), Alfonso de Galarreta (geboren 1957 in Spanien) und Bernard Fellay (geboren 1958 in der Schweiz) wurden vom Erzbischof aus den Mitgliedern der Priesterbruderschaft St. Pius X. ausgewählt, weil sie „unter Verhältnissen und in Gebieten leben und Funktionen bekleiden, die ihnen leichter erlauben, ihren bischöflichen Dienst zu versehen, den Kindern die Firmung zu spenden und in unseren verschiedenen Seminaren die Priesterweihe zu erteilen“, wie er es in seiner Predigt zur Bischofsweihe erklärt.

Weder schismatisch noch exkommuniziert

In derselben Predigt unterstreicht Erzbischof Lefebvre die außergewöhnlichen Umstände, die seine Entscheidung rechtfertigen: „Es ist mir nicht gegeben zu wissen, wann die Tradition in Rom ihre Rechte zurückgewinnen wird. Aber ich halte es für meine Pflicht, die Mittel und Wege für ein Unternehmen zu bereiten, das ich als Unternehmen des Überlebens bezeichnen möchte, als „Operation Überleben“ der Tradition.

Dieser Tag heute ist die „Operation Überleben“. Wenn ich dieses Unternehmen aber gemeinsam mit Rom durchgeführt und die Absprachen, die wir unterschrieben haben, weitergeführt hätte und wenn ich dann diese Absprachen in die Tat umgesetzt hätte, würde ich eine „Operation Selbstmord“ durchführen. Es gibt keine Wahl. Es ist meine Pflicht, alles zu tun, damit wir überleben. Und daher bin ich überzeugt, dass ich heute durch die Konsekration dieser Bischöfe die Tradition fortsetze und ihr, das heißt der katholischen Kirche, helfe, zu überleben, das heißt, der katholischen Kirche.“

Ein Jahr nach den Bischofsweihen betont der Erzbischof in einem Interview in der Juli/August-Nummer 1989 von Fideliter, der französischen Zeitschrift der Priesterbruderschaft, dass wir „nicht zögern dürfen, dass wir keine Skrupel haben dürfen wegen dieser Bischofsweihen. Wir sind weder schismatisch, noch exkommuniziert, wir sind nicht gegen den Papst. Wir sind nicht gegen die katholische Kirche. Wir gründen keine Parallelkirche. Das ist alles absurd. Wir sind das, was wir immer waren, nämlich Katholiken, die weitermachen. Das ist alles.“

Die Aufgabe unserer Weihbischöfe

Ihre Funktion ist auf die Spendung der Weihen und der Firmung begrenzt, und so haben und beanspruchen unsere Bischöfe keine bischöfliche Jurisdiktion über die Priester und die Gläubigen.

In seinem Interview mit Fideliter von 1989 hat Erzbischof Lefebvre erklärt, dass die vier Bischöfe „für die Erteilung der Weihen und der Firmung da sind, um mich abzulösen und das zu tun, was ich jahrelang getan habe. Ansonsten sind es selbstverständlich die Distriktoberen, die einem bestimmten Gebiet zugeteilt sind und die in dem Maße, in dem sie es vermögen, den Seelen zu Hilfe kommen, von denen sie gerufen werden. Diese Seelen haben nämlich ein Recht auf die Sakramente und auf die Wahrheit, sie haben ein Recht darauf, gerettet zu werden. So kommen wir ihnen zu Hilfe, und es ist der Ruf dieser Seelen, der uns das im Kirchenrecht vorgesehene Recht gibt, zu ihnen zu gehen.“

In seinem Brief an die vier Kandidaten vom 29. August 1987 hatte Erzbischof Lefebvre bereits erklärt, dass „das Hauptziel dieser Verleihung ist, dass die Gnade der Priesterweihe zur Fortsetzung des wahren heiligen Messopfers verliehen werden kann und dass die Gnade des Sakraments der Firmung den Kindern und den Gläubigen verliehen werden kann, die sie von Ihnen verlangen“.

Der Erzbischof hat auf ihrer Bindung an den Heiligen Stuhl und auf ihrem Dienst für die Priesterbruderschaft bestanden:



 

Ich beschwöre Sie, dem Stuhl Petri und der römischen Kirche, der Mutter und Lehrerin aller Kirchen, fest verbunden zu bleiben, und zwar im integralen katholischen Glauben, der in den Glaubensbekenntnissen und im Katechismus des Konzils von Trient ausgesprochen ist, und in Übereinstimmung mit dem, was Sie in diesem Seminar gelehrt worden sind. Bleiben Sie in der Übermittlung des Glaubens treu, auf dass uns das Reich unseres Herrn zukomme."

 

Ebenso beschwöre ich Sie, der Priesterbruderschaft St. Pius X. fest verbunden zu bleiben, untereinander tief vereint, Ihrem Generaloberen unterworfen, treu dem katholischen Glauben aller Zeiten, eingedenk jenes Wortes des heiligen Paulus an die Galater: ‚Sed licet nos aut angelus de caelo evangelizet vobis praeterquam quod evangeliavimus vobis, anathema sit. Sicut praedicimus et nunc iterum dico: si quis evangelizaverit praeter id quod accepistis, anathema sit.‘

Die römische Reaktion auf die Bischofsweihen

Am 1. Juli 1988 unterschrieb Kardinal Bernardin Gantin, Präfekt der Kongregation für die Bischöfe, ein Exkommunikationsdekret, welches verkündete, Erzbischof Lefebvre und Bischof de Castro Mayer hätten einen schismatischen Akt vollzogen und seien nach den Vorgaben des Kanon 1382 des Kirchenrechts latae sententiae (automatisch) exkommuniziert: „Ein Bischof, der jemanden ohne päpstlichen Auftrag zum Bischof weiht, und ebenso, wer von ihm die Weihe empfängt, zieht sich die dem Apostolischen Stuhl vorbehaltene Exkommunikation als Tatstrafe zu.“ Am folgenden Tag, dem 2. Juli 1988, veröffentlichte Papst Johannes Paul II. den apostolischen Brief Motu proprio Ecclesia Dei adflicta, welcher die Exkommunikationen und die Existenz eines Schismas bestätigte.

Die Priesterbruderschaft St. Pius X. hat die Rechtsgültigkeit dieser Strafe immer bestritten. Abgesehen von anderen Bewertungen ist die Exkommunikation nicht eingetreten, weil jemand, der im Notstand ein Gesetz bricht, keiner Bestrafung unterliegt (can. 1323 § 4), und selbst wenn es keinen Notstand gab und man lediglich ohne persönliche Schuld an einen solchen Notstand geglaubt hat, tritt keine Strafe ein (can. 1323 § 7); und wenn man jemanden für schuldig hielte, der den Notstand angenommen hätte, dann träte keine automatische Tatstrafe ein (can. 1324 § 3).

Der Vorwurf des Schismas

Was den Vorwurf des Schismas anbetrifft, so hat Erzbischof Lefebvre immer die Autorität des Papstes anerkannt. Einen Bischof ohne päpstliches Mandat zu weihen wäre ein schismatischer Akt, wenn man so tun würde, als übertrüge man nicht nur die Fülle des Priestertums, sondern gleichermaßen eine Machtbefugnis über einen Teil der Herde. Nur der Papst, der eine allgemeine Befugnis über die Herde hat, kann einen Hirten für einen Teil der Herde ernennen und ihn ermächtigen, sie zu leiten. Erzbischof Lefebvre hat nie vorgegeben, irgendetwas außer der priesterlichen Befugnis der Fülle der heiligen Weihen zu übertragen.

Kardinal Castillo Lara Rosalio, Präsident der päpstlichen Kongregation für die authentische Interpretation des kanonischen Rechts, erklärte in der Zeitung La Repubblica am 7. Oktober 1988, dass die von Erzbischof Lefebvre und Bischof de Castro Mayer vorgenommenen Bischofsweihen keinen schismatischen Akt darstellten („Die Tatsache der Bischofsweihe allein ist in sich kein schismatischer Akt“).

Der Dekan der kirchenrechtlichen Fakultät des katholischen Instituts Paris, Pater Patrick Valdrini, hat bestätigt, dass „die Weihe eines Bischofs kein Schisma hervorruft; ein Schisma entsteht erst dann, wenn diesem Bischof eine apostolische Mission übertragen wird“ (Valeurs pratique Nouvelles, 4. Juli 1988).

Kardinal Dario Castrillon Hoyos, Präsident der päpstlichen Kommission Ecclesia Dei, hat mindestens fünf Mal in seinen öffentlichen Interviews (30 Giorni Nr. 9, 2005) versichert, dass die Priesterbruderschaft St. Pius X. sich nicht in einem formalen Schisma befindet. So hat er erklärt, dass „die Bischöfe, Priester und Gläubigen der Priesterbruderschaft St. Pius X. nicht schismatisch sind“ (The Daily Mail, 8. Februar 2007).

Am 21. Januar 2009 schließlich hat ein Dekret der Kongregation für die Bischöfe, unterzeichnet von ihrem Präfekten, Kardinal Giovanni Battista Re, aufgrund der ausdrücklichen Bevollmächtigung durch Papst Benedikt XVI. das Dekret vom 1. Juli 1988 für frei von jeglichen juristischen Folgen erklärt.