Brief des Generaloberen an die Freunde und Wohltäter n. 93

Mitte operarios in messem tuam.
Sende Arbeiter in Deine Ernte.

Liebe Gläubige, Freunde und Wohltäter!

In wenigen Tagen wird ein neues Jubiläumsjahr für die Kirche beginnen. Zahlreich werden wir uns, so hoffe ich, am 20. August 2025 in Rom wiedersehen. Dorthin werden wir ganz bestimmt das Zeugnis für den Glauben tragen: für einen Glauben, den wir von der Kirche durch ihre Tradition empfangen haben; für einen lebendigen Glauben, den wir unsererseits so weitergeben müssen, wie wir ihn empfangen haben, rein von jeglichem Zugeständnis an den Weltgeist.

Möge dieses Jubiläum auch ein Zeugnis der Hoffnung sein, insbesondere im Hinblick auf die Zukunft der Kirche und ihre Unzerstörbarkeit. In der Tat, wenn wir zutiefst am Rom aller Zeiten hängen, müssen wir in unserem tiefsten Inneren bewegt sein von der Sorge um die Kirche von morgen. Wir kennen zwar das Versprechen Christi, bis zum Ende der Zeiten bei uns zu sein, trotz der Angriffe der Hölle. Aber wir müssen verstehen, dass dieses Versprechen unser Mitwirken voraussetzt: Unser Herr zählt auf unsere Bemühungen, die durch seine Gnade geweckt und befruchtet werden, um der Kirche ihre Unzerstörbarkeit zu garantieren.

Was sind die konkreten Anstrengungen, die unser Herr von uns erwartet, um die Zukunft der Kirche zu sichern? Man kann sie zusammenfassen in unserem gemeinsamen Bemühen, viele heilige Berufungen aufkeimen zu lassen, sowohl zum Ordensstand als auch zum Priestertum. Die Heiligen und die Päpste haben ohne Unterlass darauf hingewiesen: Ein Volk kann nur durch einen heiligen Klerus heilig sein. Und eine Zivilisation wird nur in dem Maß wieder christlich, in dem sie durch heilige Ordensleute fruchtbar gemacht wird. Wenn wir uns um die Kirche von morgen sorgen, müssen wir uns mit aller Kraft für das Aufkeimen, die Heranbildung und die Beharrlichkeit dieser Berufungen einsetzen.

Heroische Zeugen Christi

Wer wird ausreichend erklären, was die Priester und Ordensleute von morgen sein sollen? Erzbischof Lefebvre brachte es mit einem Wort zum Ausdruck, als er sich an seine Seminaristen wandte:

„Die heutige Zeit ist die Zeit der Helden. Eine Zeit, in welcher in der Struktur der Gesellschaft und sogar in der Struktur der Kirche alles zu verschwinden scheint, ist nicht die Zeit für laue Seelen, die sich hineinsteigern in Unruhe oder in Zweifel, sogar bezüglich der Gottheit unseres Herrn Jesus Christus, die in der Welt kursieren und dies sogar durch die katholische Kirche. Es ist vielmehr die Zeit derer, die an unseren Herrn Jesus Christus glauben, die glauben, dass unser Herr Jesus Christus durch sein Kreuz die Lösung bietet für alle persönlichen Probleme unseres Lebens.“[1]

Was die Lage unserer Welt in der Tat erfordert, ist eine Generation von Priestern und Ordensleuten, die Zeugnis für unseren Herrn Jesus Christus ablegt, oft gegen Wind und Wellen; eine Generation, die für unsere halbtote Welt Zeugnis ablegt von der erlösenden Allmacht, die in Christus Jesus und nur in Ihm zu finden ist; die Zeugnis ablegt durch Worte ohne Furcht und Umschweife und noch mehr durch ein Leben, gelebt in seiner Schule und in seiner Liebe; eine Generation, in der jeder auf seine Weise ein „lebendiges Abbild des Erlösers“ ist, wie Pius XII. es ausdrückte.[2]

Ein Licht für die Welt

Einige mögen manchmal über die Stürme erschrecken, die die Welt umso mehr erschüttern, je weiter sie sich von Gott entfernt. Mit unserem Herrn, der die Herzen seiner Apostel beruhigte, noch bevor er die Wogen beruhigte, möchten wir ihnen sagen: Fürchtet euch nicht.[3] Ist die Macht des Sturms nicht ein Zeichen für die noch größere Macht des Leuchtturms, der unaufhörlich leuchtet und den Weg zum Hafen weist?

Ich bin das Licht der Welt.[4] In der Nachfolge Christi ist dies auch die Kirche. Auch ihre Amtsträger und Ordensleute werden dies sein, wenn sie in der Liebe gegründet und verwurzelt bleiben, wenn Christus durch den Glauben in ihrem Herzen wohnt.[5] Mit dem hl. Paulus können sie sagen: Ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Fürstentümer noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch irgendeine Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.[6]

Dann werden sie sich nicht vor der Dunkelheit fürchten, sondern sie mit dem Licht, das sie tragen, besiegen. Vom bescheidenen Klassenzimmer, in dem die Ordensschwester unterrichtet, bis zur Kanzel, auf welcher der Priester predigt, fährt die Kirche fort, durch sie die Seelen zu stärken, die Herzen aufzurichten und die Welt zu erleuchten. Vom stillen Kloster bis zum verborgenen Beichtstuhl gießt die Kirche den Frieden Christi in Fülle über die Seelen und bald auch über die Städte aus. Denn zweifeln wir nicht daran: Unsere Welt, die sich jeden Tag mehr in ihrer selbstzerstörerischen Logik verstrickt, dürstet nach diesem Licht, das gleichzeitig aus Wahrheit und Liebe besteht.

„Geh und baue meine verfallene Kirche wieder auf“, sprach der gekreuzigte Christus zum jungen Franz von Assisi. Um dieses göttliche Licht in einer verfinsterten Welt auszubreiten, um das Leben unseres Herrn den Seelen zu vermitteln, bedarf es der Seelen, die bereit sind, die Wahrheit zu bezeugen,[7] sei es vor dem Hohenpriester oder vor Pilatus. Es stimmt, dass der Rauch Satans in die Kirche eingedrungen ist, wo der Teufel, dieser Spalter, sich als Engel des Lichts ausgibt.[8] Aber täuschen wir uns nicht: Die schwerwiegenden lehrmäßigen und moralischen Fehlentwicklungen der Kirchenmänner bis hin zum völligen Verfall kündigen früher oder später den Tod der modernistischen Utopie an.

Eine brennende Miliz

Der Sieg Christi und des Unbefleckten Herzens Mariens wird daher durch die Ausstrahlung des geweihten Lebens geschehen, das vollständig und uneingeschränkt gelebt wird, und daher durch eine heilige Miliz von Priestern und Ordensleuten, die sich entscheiden, auf alles zu verzichten, um unserem Herrn zu folgen.

Diese heroischen und leuchtenden Zeugen müssen freilich eine große Seelenstärke und große Tugenden haben: Sie müssen einen festen und tiefen Glaubensgeist haben. Sie müssen unfähig sein zu Kompromissen mit dem Bösen und dem Irrtum, aber gleichzeitig erfüllt von Sanftmut und Nächstenliebe.

Diese Eroberer werden dies nur in dem Maß erreichen, wie sie von der Liebe Christi entflammt, von Eifer erfüllt sind und sich ganz für das Wohl der Kirche hingeben. Erzbischof Lefebvre rief es seinen Seminaristen in Erinnerung: „Ihr müsst Helden, Heilige und Märtyrer sein; Märtyrer im Sinne von Zeugen des katholischen Glaubens. Ihr werdet von allen Seiten angefeindet werden, aber, gestützt auf das Beispiel derer, die ihr Leben und ihr Blut für ihren Glauben hingegeben haben, gestützt auf das Beispiel der allerseligsten Jungfrau Maria und mit ihrer Hilfe, werdet Ihr dieses Werk vollbringen – zu Eurer Heiligung und zur Heiligung der Seelen.“[9]

Genau diese neue Generation von Priestern und Ordensleuten müssen wir hervorbringen! Ohne sie fehlen der Vorsehung die Werkzeuge zur Verwirklichung ihres Erlösungswerkes. Wie können wir das erreichen?

Ein Geschenk Gottes, das es zu erflehen gilt

Wir wissen es, eine Berufung ist ein Geschenk Gottes – das Wort selbst zeigt es. Gott allein beruft: Niemand darf die Würde an sich reißen, sondern er muss von Gott dazu berufen sein.[10] Gott allein haucht den Seelen seine Gnade ein, und eine Berufung zum Ordensstand oder zum Priestertum ist eine ganz besondere Gnade, eine Gnade der Erwählung.

Eine solche Gnade muss jedoch erbeten werden. Eine solche Gabe hängt von unserem Gebet ab. Unser Herr erinnert uns daran: Die Ernte ist groß, aber der Arbeiter sind wenige. Bittet darum den Herrn der Ernte, dass er Arbeiter in seine Ernte sende.[11] Je größer eine Gabe ist, desto eindringlicher muss das Gebet sein. Ist das bei unserem Gebet um Berufungen der Fall? Es ist zu befürchten, dass wir manchmal mehr Zeit damit verbringen, das Übel zu beklagen, als von Gott die Heilmittel zu erflehen... Wenn wir wirklich davon überzeugt sind, dass nur heilige Berufungen die Kirche und damit die Welt wiederherstellen werden, wenn wir wirklich wollen, dass das Erlösungswerk unseres Herrn in unserer Zeit wieder triumphiert, dann können wir nicht anders, als mit immer mehr Nachdruck und Beharrlichkeit um heilige Berufungen zu beten und unser Flehen zu vervielfachen.

Wie die Gerechten des Alten Testaments sich voller Sehnsucht nach dem Kommen des Erlösers sehnten, so müssen wir den Himmel bestürmen, dass er unserer Zeit „Spiegelbilder der Gottesliebe“, „lebendige Abbilder Christi“ sendet, mit anderen Worten: neue Heilige wie Franz von Assisi oder Pater Pio, Theresia von Avila oder Katharina von Siena und viele heilige Priester, um den Seelen „die kostbarste Perle, nämlich den unerschöpflichen Reichtum des Blutes Jesu Christi“[12] zu schenken.

Dies ist sicherlich die dringendste Bitte für unsere Zeit. Wir wissen, dass Gott Seine Kirche nicht verlassen wird und dass er unserer Zeit die Heiligen geben will, die sie braucht. Dennoch wird er dies nur in dem Maße tun, in dem wir ihn mit ebenso viel Nachdruck wie Demut darum bitten. Dies ist genau das Gebet und die Hoffnung, die wir anlässlich des Jubiläums nach Rom tragen wollen. Deshalb haben wir als Thema unserer Wallfahrt gewählt: „Mitte operarios in messem tuam. Sende Arbeiter in Deine Ernte.“[13]

Eine Legion, die es zu gebären gilt

Wir möchten jedoch nicht, dass ein solches Anliegen auf diese Stunden des Jubiläums beschränkt bleibt. Wir möchten vielmehr, dass die Sorge um Berufungen in den kommenden Jahren in uns allen lebt: natürlich in erster Linie in unserem Gebet, aber auch in dem Eifer, den jeder von uns dafür aufbringt. Denn wir alle müssen uns für diese Sache einsetzen, die Priester natürlich durch ihr Beispiel und ihre übernatürliche Begeisterung, aber auch die Familienväter und -mütter. Vom Eifer, den sie für die Entfaltung und Heiligung ihrer Familie aufbringen, hängen nämlich die Berufungen von morgen ab, denn die tief christliche Familie ist, wie Pius XI. es ausdrückte, „der beste und natürlichste Boden, auf dem fast wie von selbst Berufungen keimen und erblühen müssen.“[14] Wir werden in den nächsten Briefen, die wir an Sie richten, ausführlicher auf diese Überlegungen eingehen.

Machen wir uns nichts vor: Wir beginnen hier eine Baustelle, die sich über Jahre hinziehen wird. Daher möchten wir sie ganz besonders unter den Schutz Unserer Lieben Frau von den Sieben Schmerzen stellen. Bereits durch das Fiat bei der Verkündigung wurde ihr jungfräulicher Schoß zur ersten Kathedrale, in der das göttliche Wort durch die Annahme der menschlichen Natur die Salbung empfing, die es zum Geweihten Gottes machte und das neue Priestertum begründete... Am Fuße des Kreuzes vertraute Jesus dann dem schmerzhaften und Unbefleckten Herzen Mariens das Priestertum des heiligen Johannes an und machte sie – durch den geliebten Apostel – zur Mutter aller Priester. Durch ihr Mitleiden in den Schmerzen von Golgatha, die sie eng mit den Leiden ihres göttlichen Sohnes verbunden trug, gebar Unsere Liebe Frau die Kirche von gestern, heute und morgen.

Daher müssen wir unsere inständigen Gebete an sie richten. Bitten wir sie vertrauensvoll, uns die Berufungen zu gewähren, die wir so dringend benötigen. Und ganz konkret: Greifen wir unermüdlich auf die Waffe des heiligen Rosenkranzes zurück. Während des gesamten Jubiläumsjahres, das am 24. Dezember beginnt und am 6. Januar 2026 endet, wollen wir ein ständiges Flehen in Form von inbrünstigen Rosenkränzen für Berufungen zum Himmel emporsteigen lassen. Wir werden sie nicht zählen, wir wollen ihre Zahl nicht begrenzen; aber wir zählen auf das Engagement aller und jedes Einzelnen, dieses Heilige Jahr dem fruchtbringenden Rosenkranzgebet zu widmen. Wir zählen insbesondere auf das Gebet der Kinder in unseren Familien und Schulen und auf ihre Opfer. Wir bitten ihre Erzieher, alles zu tun, um den Kindern dabei zu helfen, großherzig zu sein.

Am 20. August werden wir diese unzähligen Rosenkränze und Opfer feierlich zu Füßen Unserer Lieben Frau niederlegen, als eine Huldigung der Dankbarkeit und des demütigen Vertrauens auf die Macht ihrer mütterlichen Fürbitte. Mögen wir so unter ihrer Führung arbeiten für das Aufkeimen heiliger Berufungen, welche die Heiligkeit der Kirche von morgen ausmachen werden.

Ich wünsche Ihnen und Ihren Familien eine gesegnete Weihnacht.

Gott segne Sie.

Menzingen, den 20. Dezember 2024

Don Davide Pagliarani, Generaloberer

 


[1] Predigt, Ecône, 7. Januar 1973.
[2] Enzyklika Menti Nostræ.
[3] Joh 6, 20.
[4] Joh 8, 12.
[5] Vgl. Eph 3, 17.
[6] Röm 8, 38–39.
[7] Joh 18, 37.
[8] 2 Kor 11, 14.
[9] Predigt, Ecône, 21. Mai 1983.
[10] Heb 5, 4.
[11] Mt 9, 37-38.
[12] Pius XII., Enzyklika Menti Nostræ.
[13] Missale Romanum, Votivmesse um Priesterberufungen.
[14] Enzyklika Ad Catholici sacerdotii.