Die Priesterbruderschaft St. Pius X. und Rom

Vortrag von Erzbischof Lefebvre, 1987

Etappen eines Kampfes

Die Priesterbruderschaft St. Pius X. wurde im Jahre 1970 offiziell gegründet.

Für alle, welche die Geschichte der Priesterbruderschaft nicht gut kennen, ist es zweifelsohne gut, die wesentlichen Etappen noch einmal in Erinnerung zu rufen in einem Augenblick, in dem wir uns unter den bekannten Umständen bemühen, das weiterzuführen und zu entwickeln, was die Vorsehung uns zu tun aufgegeben hat.

Natürlich wäre die Situation für uns einfacher, wenn sich die Ereignisse in der Kirche im Sinne einer Rückkehr zur Tradition entwickeln würden. Wir würden sicherlich von der Hierarchie anerkannt, so wie wir in der Anfangszeit anerkannt waren, und alle unsere Probleme in den Beziehungen mit den Bischöfen, mit Rom, würden sich gar nicht mehr stellen.

Jetzt jedoch müssen wir die Authentizität der Priesterbruderschaft bewahren, welche sicherlich unter sehr besonderen Umständen gegründet worden ist; das hätte aber sehr wohl auch in normalen Zeiten geschehen können. Anlass zur Gründung, das stimmt, war der Niedergang der Seminare. Aber es hat ja Gesellschaften wie die des hl. Vinzenz von Paul oder des hl. Johannes Eudes gegeben, die mit dem gleichen Ziel gegründet wurden, und das ist und bleibt eine gute Ausbildung der zukünftigen Priester, die es ihnen erlaubt, einen Dienst auszuüben, der zu einer Erneuerung der Kirche führen soll.

Die Aufgabe der Priesterbruderschaft: Priester im Geist der Kirche ausbilden

Die Priesterbruderschaft wurde also vor allem gegründet, um Priester hervorzubringen und deshalb Seminare zu eröffnen. Das stimmt völlig mit der Tradition der Kirche überein: ganz einfach die traditionelle Priesterausbildung für die Kirche weiterzuführen. Nach nichts anderem streben wir, und wir haben niemals etwas erneuern wollen, außer im Sinne der Tradition und wenn sich herausstellte, dass gewisse Elemente in der Priesterausbildung ein wenig fehlten, insbesondere auf der spirituellen Ebene. Deshalb haben wir zu den philosophischen und theologischen Studien ein Spiritualitätsjahr hinzugefügt. Dieses Spiritualitätsjahr vervollständigt die Vorbereitung der Seminaristen von Ecône sehr gut, indem es sie in eine wahrhaft spirituelle Atmosphäre hineinversetzt. Das ist nun sicherlich keine Neuerung im Sinne der Modernisten, aber ganz im Gegenteil im Sinne der Tradition der Kirche.

Unsere Gründung hat also Sorge getragen, die Studien durch ein zusätzliches Jahr einer seriösen spirituellen Ausbildung zu ergänzen, ein Jahr, das so etwas wie ein Noviziat darstellt und das zu einer größeren Kenntnis darüber führt, was die Spiritualität und die innere Lebensführung ist, eine reinigende und erhellende, eine mystische Lebensführung, die verlangt, dass man sich ändert.

Die Priesterbruderschaft wurde nicht nach dem Vorbild eines Ordens, einer religiösen Kongregation gegründet. Warum? Weil in der Praxis immer wieder festgestellt wird, dass es für Ordensleute, die in der Welt ein Apostolat ausüben, schwierig ist, die strenge Armut zu befolgen, wie sie in den Orden verlangt wird, in denen man nichts besitzen, nichts gebrauchen, nichts benutzen kann, ohne den Oberen um Erlaubnis zu fragen. Alles hängt vom Oberen ab. So war es vorzuziehen, nicht durch ein Gelübde gebunden zu sein, mit dem man ständig in Widerspruch zu geraten droht. Es war besser, eine Gesellschaft zu gründen mit gemeinschaftlichem Leben ohne Gelübde, aber mit Versprechen.

Die Vorsehung hat also entschieden, dass unsere Gesellschaft nach dem Vorbild der Gesellschaften mit gemeinschaftlichem Leben ohne Gelübde errichtet wurde, und sie hat sich bereits bewährt. Es gibt also keinen Grund, nicht weiterzumachen.

Priesterbruderschaft offiziell von Rom approbiert

In dieser Form wurde die Priesterbruderschaft St. Pius X. von Bischof Charrière von Fribourg am 1. November 1970 approbiert und errichtet, und in dieser Form wurde sie auch von Rom approbiert.

Das ist sehr wichtig und sogar fundamental, und man muss das denen sagen, welche die Geschichte der Priesterbruderschaft nicht gut kennen.

Das römische Dokument ist tatsächlich ausgesprochen wichtig, denn es ist völlig offiziell. Es trägt das Datum des 18. Februar 1971 und den Stempel der Heiligen Kongregation für die Ordensleute. Unterschrieben ist es von deren Präfekt, Kardinal Wright, und mitunterzeichnet von Mgr. Palazzini, der zu jener Zeit sein Sekretär war und heute Kardinal ist. Dieses offizielle Dokument, das von einer römischen Kongregation kommt und „die Klugheit der Regeln“ der Statuten der Priesterbruderschaft approbiert und lobt, kann nicht anders gesehen werden als ein lobendes Dekret, welches erlaubt, unsere Gesellschaft als eine Gesellschaft päpstlichen Rechts anzusehen, die aus diesem Grund sogar auch inkardinieren kann.

Diese offizielle Anerkennung wurde durch offizielle Akte der Kongregation für die Ordensleute mit ihrem Präfekten Kardinal Antoniutti vervollständigt und bestätigt, denn sie erlaubten Pater Snyder und einem anderen amerikanischen Ordensmann, direkt in die Priesterbruderschaft inkardiniert zu werden. Es handelte sich also sehr wohl um offizielle Akte Roms.

Es muss also auf Grund dieser offiziellen Dokumente eindeutig festgestellt werden, dass die Kleruskongregation de facto der Ansicht war, dass unsere Gesellschaft regulär und gültig inkardinieren konnte.

Persönlich hingegen habe ich mich nicht veranlasst gefühlt, von dieser Möglichkeit Gebrauch zu machen, bis zu dem Augenblick, in dem wir offiziell, aber illegal aufgehoben wurden. Bis dahin hatte ich mich immer um Bischöfe bemüht, die die Priester inkardinierten. Ich wandte mich an Bischof de Castro Mayer in Brasilien, an Bischof Lacoma in Spanien und Bischof Guibert in La Réunion. Diese drei Bischöfe waren einverstanden, den Priestern unserer Gesellschaft Dimissorialbriefe auszustellen, so dass diese Priester dann in ihren Diözesen inkardiniert waren. Pater Aulagnier wurde in seiner Diözese in Clermont-Ferrand durch Bischof de la Chanonie inkardiniert. So waren wir doppelt regulär. Bischof Adam hat es mir ausdrücklich gesagt: „Warum inkardinieren Sie nicht in Ihre Gesellschaft?“ Meine Antwort war: „Mir scheint, sie ist nur diözesan. Ich war also innerhalb des Rahmens der kanonischen Regeln, eher als außerhalb.“

Tatsächlich sind die beiden Dokumente der Kleruskongregation über die Inkardination der beiden amerikanischen Ordensmänner in unsere Gesellschaft noch bedeutender als der von Kardinal Wright unterzeichnete Brief. Das habe ich übrigens auch der Kongregation für die Glaubenslehre gesagt, als ich dort über die Inkardinationen befragt wurde. Man sagte mir: „Sie haben kein Recht, in Ihre Gesellschaft zu inkardinieren.“ – „Ich habe kein Recht dazu? Dann müssen Sie der Kleruskongregation sagen, dass sie sich geirrt hat, als sie in unsere Gesellschaft inkardiniert hat!“

Wenn man das Schreiben von Kardinal Wright genau untersucht, dann ist es nicht nur ein Brief, sondern ein „lobendes Dekret“, denn er lobt definitiv die Statuten der Priesterbruderschaft. Das ist ein ganz offizielles Schreiben. Es ist keineswegs ein privater Brief. So hatten wir fünf Jahre hindurch die völlige Approbation der Kirche, und zwar auf diözesaner Ebene wie auch von Rom. Wir waren also gewissermaßen auf die Kirche aufgepflanzt. Das ist fundamental für das providentielle Wirken der Priesterbruderschaft, und es stärkt uns in unserer Existenz und in unserem Wirken im Allgemeinen. Als Teil der Kirche, offiziell von der Kirche anerkannt, sind wir verfolgt worden.

Warum werden wir verfolgt?

Wir werden einzig und allein deshalb verfolgt, weil wir die Tradition bewahren, und insbesondere die liturgische Tradition.

Wenn man die historische Abfolge der Ereignisse weiter verfolgt, so ist es auch von größtem Interesse, nochmals den Brief zu lesen, den Bischof Mamie mir am 6. Mai 1975 geschickt hat, damit wir die wahren Gründe besser begreifen können, welche den Bischof von Lausanne, Genf und Freiburg dazu bewegt haben, uns ILLEGAL das zu entziehen, was sein Vorgänger gewährt hatte, insbesondere das Errichtungsdekret vom 1. November 1970. Das ist ein Zeugnis.  Da er es ja schreibt, gibt Bischof Mamie zu, dass die Priesterbruderschaft als Pia Unio mit Sitz in Freiburg Gegenstand eines von seinem Vorgänger unterzeichneten Errichtungsdekrets war, „als Genehmigung und Bestätigung der Statuten der bezeichneten Priesterbruderschaft“.

Er hatte nicht das Recht, so zu handeln und aus eigener Machtvollkommenheit die kanonische Anerkennung zurückzuziehen. Das steht ganz eindeutig im Gegensatz zum Kirchenrecht (can. 493). In seinem Brief spricht nun Bischof Mamie zweimal von der Liturgie: „...Ich habe Sie wiederholt an ihre Weigerung in Bezug auf die Zelebration der Messe nach dem von S.H. Paul VI. eingeführten Ritus erinnert...“, und: „Was uns anbetrifft, so fahren wir fort, von den Gläubigen wie von den katholischen Priestern die Annahme und Verwirklichung aller Ausrichtungen oder Entscheidungen des Zweiten Vatikanischen Konzils, aller Lehren Johannes' XXIII. und Pauls VI., aller Anordnungen der vom Konzil eingerichteten Sekretariate einschließlich der neuen Liturgie zu verlangen. Das haben wir getan und werden es selbst auch in den schwierigsten Tagen weiterhin tun mit der Gnade Gottes, weil es der einzige Weg ist, die Kirche aufzubauen.“

Genau das schrieb damals Bischof Mamie.

Zweimal erwähnt er die Liturgie in diesem Brief. „Weil Sie sich gegen die Liturgie stellen.“ Das ist also das Hauptmotiv, das wesentliche Motiv, das uns diese unbeschreiblichen und illegalen Maßregelungen eingetragen hat. Das muss man immer wieder erwähnen. Die Frage der Priesterweihen kam erst später auf. Das tatsächliche Motiv, um dessentwillen wir von Bischof Mamie, von den römischen Kardinälen und den französischen Bischöfen verfolgt wurden und werden – und zwar, noch einmal: illegal –, ist unsere Anhänglichkeit an die Heilige Messe aller Zeiten. „Sie feiern weiter diese Liturgie, also sind Sie gegen das Vatikanische Konzil. Weil Sie gegen das Konzil sind, sind Sie gegen den Papst. Das kann man nicht zulassen. Also werden wir Sie aufheben.“ Eine ganz einfache Folgerung.

Dann haben sie den Ordo von Mgr. Bugnini hervorgezogen und etwas erfunden, das gar nicht existierte: die Verpflichtung zur neuen Messe durch die Dienststellen des Vatikans und durch die französischen Bischöfe. So wurde die alte Messe unglücklicherweise von Gemeinschaften wie der Abtei von Fontgombault aufgegeben, unter dem Vorwand, dass man ja den Bischöfen gehorchen müsse. Alles das wurde mit Gewalt durchgesetzt, durch Zwang. Man wollte auch uns absolut dazu zwingen, diese Liturgie aufzugeben und so auch unser Seminar zu schließen.

Angesichts der Unaufrichtigkeit und der Illegalität, mit der das alles geschah, und vor allem angesichts des Geistes, in dem diese Verfolgung durchgeführt wurde, nämlich eines modernistischen, progressistischen und freimaurerischen Geistes, meinten wir, weitermachen zu müssen. Man kann nicht etwas zulassen, das illegal getan wurde, das in einem schlechten Geist getan wurde, gegen die Tradition und gegen die Kirche, um sie zu zerstören.

Wir haben uns immer geweigert, an der Zerstörung der Kirche mitzuarbeiten

Das haben wir immer verweigert. Seit dem Tag, als wir uns weigerten, ist es offensichtlich, dass wir uns gegen die stellten, welche die legale Kirche zu sein schienen: wir standen außerhalb des Gesetzes der Kirche, und sie respektierten das Gesetz. Diese Einschätzung halten wir für ungenau, denn sie sind es, die sich tatsächlich von der Legalität der Kirche entfernen, und wir, im Gegenteil, wir bleiben in der Legalität und in der Gültigkeit. Weil wir objektiv sehen, dass sie in einem Geist handeln, der die Kirche zerstört, sehen wir uns in der Verpflichtung, auf eine Art und Weise zu handeln, die im Widerspruch zur Gesetzlichkeit der Kirche zu stehen scheint. Das ist wahr. Und das ist eine so seltsame Situation, willkürlich und eigenmächtig zu erscheinen, wenn man ganz einfach weiterhin die Messe aller Zeiten zelebriert und Priester so weiht, wie es die Gesetzlichkeit der Kirche bis zum Konzil war. Und doch ist es genau das, was mir die Suspendierung und den Priestern, die geweiht werden wollten, das Verbot eingetragen hat.

Das war nicht alles, was wir nach den Details des Gesetzes illegal getan haben, so in Bezug auf die Beichten, die Trauungen und unsere Niederlassung in den Diözesen. Viele Dinge, die wir getan haben, sind in sich selbst und im strengen Sinne außerhalb des Gesetzes, aber warum haben wir sie getan? Ganz einfach weil wir der Ansicht waren, dass das, was gegen uns unternommen worden war, illegal war und dass man keinerlei Recht hatte, uns aufzuheben.

Das Grundgesetz der Kirche ist das Heil der Seelen

Folglich haben wir nach den grundlegenden Gesetzen der Kirche gehandelt, um Seelen zu retten, um das Priestertum zu retten, um die Kirche fortzusetzen. Denn genau das steht auf dem Spiel. Wir stellen uns gegen einzelne Gesetze der Kirche, um die Grundgesetze zu wahren. Indem man die Teilgesetze gegen uns ins Spiel bringt, zerstört man die Grundgesetze: man handelt gegen das Heil der Seelen, gegen die Ziele der Kirche.

Das neue Kirchenrecht enthält Artikel, welche gegen die Ziele der Kirche gerichtet sind. Wenn man erlaubt, dass einem Protestanten die Kommunion gereicht wird, dann kann man nicht sagen, das sei nicht gegen die Ziele der Kirche. Wenn man versichert, es gebe zwei höchste Gewalten in der Kirche, dann kann man nicht sagen, das sei nicht gegen die Ziele der Kirche. Diese Definition der Kirche als Volk Gottes, in welchem alle Ämter im grundlegenden Sinne zu finden seien, steht im Gegensatz zum Dogma: man unterscheidet nicht mehr zwischen Klerus und Laien. Das alles ist gegen die Ziele der Kirche. Man zerstört die grundlegenden Prinzipien des Rechts, und man möchte, dass wir uns unterwerfen.

Um die grundlegenden Gesetze der Kirche zu retten, sind wir gezwungen, gegen einzelne Gesetze zu handeln. Wer hat bei alledem recht, wer hat unrecht? Natürlich haben die recht, welche die Ziele der Kirche retten. Die Einzelgesetze sind für die grundlegenden Gesetze gemacht, das heißt für das Heil der Seelen, für die Ehre Gottes, für die Fortsetzung der Kirche. Das ist vollkommen klar.

Und bei jeder Gelegenheit wird gesagt: Erzbischof Lefebvre ist suspendiert, und seine Priester sind suspendiert, sie haben kein Recht, ein Amt auszuüben. Man beruft sich da auf einzelne Gesetze. Aber sie täten auch gut daran, wenn sie erwähnen würden, dass sie dabei sind, die Kirche zu zerstören, nicht die einzelnen Teilgesetze, sondern die grundlegenden Gesetze durch dieses neue Kirchenrecht, welches völlig von diesem schlechten modernistischen Geist inspiriert ist, der im Konzil und nach dem Konzil hervorgetreten ist.

Sicherlich wünschen wir, dass alles normal sei, dass wir uns nicht in dieser anscheinend illegalen Situation befinden würden. Aber man kann uns nicht vorwerfen, dass wir alles Mögliche in der Kirche verändern wollten. Wir müssen immer daran denken und immer wieder diesen Geist in uns wachrufen, dass wir kirchlich sind und dass wir die Kirche fortsetzen. Und warum setzen wir sie fort? Weil wir die Ziele der Kirche verfolgen. Niemand kann das Gegenteil behaupten! Ja, man kann uns vorwerfen, dass wir gewisse praktische Gesetze nicht beachten; niemand aber kann sagen, dass die Priesterbruderschaft nicht mit Blick auf die Ziele der Kirche handelte. 

Nun hat die Kirche selbst in den einzelnen Gesetzen die Weisheit besessen, zum Heil der Seelen immer eine Tür offenzulassen. Sie hat Fälle vorgesehen, die außergewöhnlich sein können. Das gilt für die Jurisdiktion bzw. die Berechtigung, die Beichte zu hören. In der Praxis sind es die Menschen, die zum Priester kommen, um das Bußsakrament zu empfangen, die ihm so die mittels des Kirchenrechts die Berechtigung geben, die Beichte zu hören. Selbst wenn jemand zu einem exkommunizierten Priester geht und ihn bittet, seine Beichte zu hören, bekommt jener die Berechtigung dazu.

Und wegen der Trauungen: Für jene, die keinen Priester finden können, welcher sie im Geist der Kirche verheiratet, wie auch ihre Eltern getraut worden sind (es ist doch selbstverständlich, dass junge Leute wünschen, in dem Ritus getraut zu werden, in welchem ihre Eltern getraut wurden, und nicht in einem Ritus, der oft lächerlich, manchmal entsetzlich ist, in einer Atmosphäre, die weit davon entfernt ist, fromm zu sein oder dem wichtigen und geheiligten Charakter des Ehesakraments zu entsprechen), hat das Kirchenrecht eine Ausnahme vorgesehen. Wenn die Verlobten innerhalb eines Monats keinen Priester finden, dann können sie heiraten. Sie sind es, die sich das Sakrament spenden. Sie sind die Spender des Sakraments, und in diesem Fall sind sie von den Vorschriften des Kirchenrechts befreit. Sie können also vor Zeugen heiraten. Wenn ein Priester da ist, muss er anwesend sein. Der Priester wird keine Delegation, keine Überweisung haben, er wird aber bei ihrer Heirat anwesend sein, wie es das Kirchenrecht verlangt, und er wird ihnen den Ehesegen geben.

Auch für die Firmung gibt es eine Ausnahme. In bestimmten Fällen hat der Priester das Recht, die Firmung zu spenden. Auch das findet man im Kirchenrecht. Der Priester soll jemandem die Firmung spenden, wenn dieser in Lebensgefahr schwebt und die Firmung noch nicht empfangen hat.

Ein Priester kann die Firmung auch in anderen Ausnahmefällen spenden. In den Missionen ist diese Möglichkeit auf die Eheschließungen ausgeweitet worden. Die Priester hatten das Recht, die Firmung vor der Trauung zu spenden, wenn die Verlobten noch nicht gefirmt waren. Ich habe niemals gesagt, dass alle Firmungen ungültig seien, aber man kann schon Zweifel haben, was die Formel anbetrifft, welche gebraucht wird, und sicherlich wegen des Öles, das man benutzt. Das ist schon wichtig. Ich habe so viele Berichte bekommen von Leuten, die mir ganz formell vom Bischof gebrauchte Formulierung mitteilten … das sind ungültige Formulierungen. Ganz einfach „Empfange den Heiligen Geist.“ – „Ich entsende dich“. Das ist vielleicht nicht häufig, aber das hat es gegeben, und das ist ungültig. In jedem Fall gibt es zahlreiche Bischöfe, die meinen, dass die Firmung ein unnötiges Sakrament sei, dass der Heilige Geist schon in der Taufe geschenkt worden sei, dass es eine zusätzliche Zeremonie sei, die an das Geschehen in der Taufe erinnere. So schrieb ausdrücklich der ehemalige Erzbischof von Chambéry in seiner Diözesan-Zeitschrift: „Die Firmung schenkt nicht den Heiligen Geist, den man in der Taufe empfangen hat.“ Ich habe Kardinal Ratzinger diese Zeitschrift gezeigt und habe ihm gesagt: „Sie werfen mir vor, dass ich firme, sehen Sie, was die Bischöfe über die Firmung denken.“ Ein Erzbischof, der inzwischen  im Ruhestand ist, der damals aber 72 oder 73 Jahre alt war und der also nach der alten Methode ausgebildet worden war. Sicherlich hat der Glaube des Bischofs keinen Einfluss auf die Gültigkeit der Firmung, aber kann man denn dieses Sakrament so spenden? So denken die Protestanten, und man kann sich fragen, ob es die Intention dieser Bischöfe ist, zu tun, was die Kirche tun will. Wenn wir überleben wollen, wenn wir wollen, dass des lieben Gottes Segen weiter auf die Priesterbruderschaft herabfließt, dann müssen wir diesen grundlegenden Gesetzen der Kirche treu bleiben.

Ohne die Messe bricht alles zusammen

Wenn es so weit käme, dass unsere Priester die wahre Liturgie, das wahre heilige Messopfer aufgeben würden, die wahren Sakramente, dann wäre es nicht mehr nötig, weiterzumachen. Das wäre unser Selbstmord!

Als Rom verlangte: „Aber Sie können doch die neue Liturgie annehmen und Ihre Seminare weiterführen, deswegen werden sie doch nicht verschwinden“, habe ich geantwortet: „Doch, das wird unsere Seminare verschwinden lassen. Sie werden die neue Liturgie nicht annehmen können, das hieße, das Gift des konziliaren Geistes in die Gemeinschaft einzubringen. Wenn die anderen nicht standgehalten haben, dann deshalb, weil sie die neue Liturgie angenommen haben, alle diese Reformen und diesen neuen Geist. Und wenn wir dieselben Dinge auch annehmen, werden wir dieselben Ergebnisse bekommen.“

Deswegen müssen wir absolut unsere traditionelle Richtung beibehalten, trotz des Anscheins eines Ungehorsams, trotz der Verfolgungen vonseiten jener, die von ihrer Autorität auf ungerechte und oft illegale Weise Gebrauch machen.

Wir sind zunehmend im Zwang der sich immer mehr verschlimmernden Umstände. Wenn die Dinge nur den Anschein hätten, sich zu arrangieren, wenn man greifbare Anzeichen einer Rückkehr zur Tradition hätte, dann wäre alles anders. Aber unglücklicherweise wird es immer schlimmer. Die Bischöfe, die den in den Ruhestand gehenden oder verstorbenen Bischöfen nachfolgen, haben eine geringere theologische Ausbildung gehabt. Sie sind durchdrungen von diesem Geist des Konzils, von diesem protestantischen, modernistischen Geist, und das wird immer schwerwiegender. Sind wir angesichts dieses ständigen Niedergangs nicht verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, die dann natürlich auch außergewöhnlich sind? Alles, was geschieht, rechtfertigt unsere Haltung. Denn schließlich werfen uns die progressistischen Priester, wann immer sie es können, vor: „Ihr habt keine Jurisdiktion, ihr habt kein Recht, Beichte zu hören“. Bald wird alles, was wir tun, ungültig sein. Unsere Messe ist gerade eben noch gültig. Das ist zumindest die geistige Haltung, die bei den verbissenen Progressisten herrscht, die sich uns entgegenstellen und uns beleidigen. Da muss man ohne zu zögern antworten, dass man die Gesetze der Kirche nutzen muss, das heißt, was sie in außerordentlichen und extrem schwerwiegenden Umständen erlaubt.

Und Gott weiß, dass wir unter solchen Umständen leben!

Die fundamentalen Irrtümer

Die Aussicht auf das Treffen von Vertretern aller Religionen in Assisi am 27. Oktober, auf Einladung des Papstes, hatte mich schmerzhaft getroffen, und ich hatte einen Brief an mehrere Kardinäle geschrieben und sie gebeten, den Heiligen Vater anzuflehen, auf diesen Betrug zu verzichten.

Man wird nicht sagen können, dass wir nicht alles getan haben, um zu versuchen, die Schwere und Bedeutung der Lage, in der wir uns befinden, bewusst zu machen.

In einer Predigt, die ich in der Schweiz gehalten habe, habe ich die Hauptpunkte herausgearbeitet, in denen der Glaube in Gefahr ist und in denen Papst, Kardinäle und Bischöfe auf ganz allgemeine Weise im Widerspruch zum Glauben stehen.

Es gibt jetzt drei fundamentale Irrtümer freimaurerischen Ursprungs, die öffentlich von den Modernisten, welche die Kirche besetzt halten, verkündet werden:

 

  • Die Ersetzung der Zehn Gebote durch die Menschenrechte. Das ist jetzt das Leitmotiv, um Moral zu begründen: Die Menschenrechte sind praktisch an die Stelle der Zehn Gebote getreten. Denn der Hauptartikel der Menschenrechte ist vor allem die Religionsfreiheit, die ganz besonders von den Freimaurern gewollt ist. Bis dahin war die katholische Religion DIE Religion, die anderen waren falsche Religionen. Diese Ausschließlichkeit wollten die Freimaurer nicht. Sie musste abgeschafft werden. Und so hat man die Religionsfreiheit dekretiert.

     
  • Der falsche Ökumenismus, der de facto die Gleichheit der Religionen schafft. Der Papst demonstriert das ganz konkret bei allen Gelegenheiten. Er hat selbst gesagt, der Ökumenismus sei ein Hauptziel seines Pontifikats. Insofern hat er gegen das erste Gebot und auch gegen das erste Kirchengebot verstoßen. Und das wiegt außergewöhnlich schwer.

     
  • Der dritte Punkt schließlich, der im Moment anhängig ist, ist die Verneinung des sozialen Königtums unseres Herrn Jesus Christus durch die Laisierung der Staaten. Der Papst wollte es, und es ist ihm praktisch gelungen, die Gesellschaften zu laisieren, also die Herrschaft unseres Herrn über die Völker abzuschaffen.

Wenn man diese drei Änderungen in der Gesamtschau sieht, welche in Wirklichkeit nur eine Änderung ist, dann ist das wahrhaftig die Verneinung der Einzigartigkeit der Religion unseres Herrn Jesus Christus und somit auch seiner Herrschaft. Und warum das? Zu welchem Nutzen? Wahrscheinlich zum Nutzen eines universellen religiösen Gefühls, einer Art Synkretismus, der darauf abzielt, alle Religionen zu vereinen.

Die Lage ist also äußerst schwerwiegend, denn es scheint ganz so, als ob die Verwirklichung des freimaurerischen Ideals von Rom selbst vollzogen würde, vom Papst und von den Kardinälen. Die Freimaurer haben das schon immer gewollt, und sie erreichen es jetzt nicht aus sich selbst, sondern durch die Männer der Kirche selbst.

Es genügt, die Artikel zu lesen, die von einigen von ihnen oder von ihnen Nahestehenden geschrieben worden sind, um zu sehen, mit welcher Zufriedenheit sie diese ganze Umwandlung der Kirche begrüßen, diese radikale Veränderung, welche an der Kirche seit dem Konzil vorgenommen worden ist und welche für jene selbst nur schwer vorstellbar war.

Angeblich ändert sich die Wahrheit mit der Zeit!

Dabei geht es nicht nur um den Papst. Kardinal Ratzinger, der in der Presse als mehr oder weniger konservativ gilt, ist in Wirklichkeit Modernist. Es genügt, sein Buch „Theologische Prinzipienlehre“ zu lesen, um sich davon zu überzeugen, um sein Denken kennenzulernen. Er zeigt dort eine gewisse Wertschätzung für Hegels Theorie, wenn er schreibt: „Der entscheidende Einschnitt dürfte bei Hegel liegen, von dem an im philosophischen Denken Sein und Zeit immer mehr ineinander geschoben werden. Das Sein selbst gilt nun als Zeit, der Logos wird in Geschichte zu sich selbst. Er kann also an keinem einzelnen Punkt der Geschichte angesiedelt, er kann nie übergeschichtlich als in sich selbst Seiendes gesichtet werden.  ... Wahrheit wird zur Funktion von Zeit; das Wahre ist nicht einfach wahr, weil auch die Wahrheit nicht einfach ist; es ist für eine Zeit wahr, weil es dem Werden der Wahrheit zugehört, die ist, indem sie wird.“

Was sollen wir tun? Wie soll man mit jemandem diskutieren, der so denkt?

So ist dann auch seine Reaktion wenig überraschend, als ich ihn fragte: „Aber, Eminenz, es gibt doch einen Widerspruch zwischen der Religionsfreiheit und dem, was der Syllabus sagt.“ – „Aber, Monseigneur“, antwortete er mir, „wir sind doch nicht mehr in der Zeit des Syllabus!“ Jede Diskussion wird unmöglich.

Und das schreibt Kardinal Ratzinger in seinem Buch über den Text der Kirche in der Welt (Gaudium et spes) unter der Überschrift: „Kirche und Welt. Zur Frage nach der Rezeption des II. Vatikanischen Konzils.“ Er entwickelt seine Argumente über mehrere Seiten und präzisiert: „Wenn man nach einer Gesamtdiagnose für den Text [von Gaudium et spes] sucht, könnte man sagen, dass er (in Verbindung mit den Texten über Religionsfreiheit und über die Weltreligionen) eine Revision des Syllabus Pius’ IX., eine Art Gegensyllabus darstellt.“

Er gibt also zu, dass der Text über die Kirche in der Welt, jener über die Religionsfreiheit und jener über die Nichtchristen (Nostra Aetate) eine Art „Gegen-Syllabus“ darstellen. Das haben wir ihm gesagt, aber nun schreibt er es ausdrücklich, anscheinend ohne dass es ihn stört.

Und der Kardinal fährt fort: „Harnack hat bekanntlich den Syllabus Pius’ IX als Kampfansage an sein Jahrhundert schlechthin interpretiert; richtig daran ist, dass er eine Trennungslinie zu den bestimmenden Kräften des neunzehnten Jahrhunderts zog.“

Welches sind „die bestimmenden Kräfte des neunzehnten Jahrhunderts“? Das ist natürlich die Französische Revolution mit all ihren zerstörerischen Wirkungen. Diese „bestimmenden Kräfte“ definiert der Kardinal selbst als „die wissenschaftliche und politische Weltsicht des Liberalismus“. Und er fährt fort: „Im Streit um den Modernismus wurde diese doppelte Abgrenzung noch einmal verstärkt und befestigt. Seither hatte sich freilich vieles verändert. Die neue Kirchenpolitik Pius’ XI. hatte eine gewisse Offenheit gegenüber dem liberalen Verständnis des Staates geschaffen. Exegese und Kirchengeschichte hatten in einem stillen, aber beharrlichen Ringen mehr und mehr Postulate des liberalen Wissenschaftsbetriebs übernommen, und andererseits hatte sich der Liberalismus in den großen politischen Umbrüchen des zwanzigsten Jahrhunderts erhebliche Korrekturen gefallen lassen müssen. So waren vorab im mitteleuropäischen Raum via facti die situationsbedingten Einseitigkeiten an den durch Pius IX. und X. vollzogenen Positionsbestimmungen der Kirche gegenüber der mit der Französischen Revolution eröffneten neuen Geschichtsphase weitgehend korrigiert, aber eine grundsätzliche Neubestimmung des Verhältnisses zur Welt, wie sie sich nach 1789 darstellte, stand noch aus.“

Diese fundamentale Festlegung war dann die des Konzils.

„Tatsächlich“, fährt der Kardinal fort, „herrschte in den Ländern mit starken katholischen Mehrheiten noch weitgehend eine vorrevolutionäre Optik: kaum jemand bezweifelt heute mehr, dass das spanische und das italienische Konkordat allzu viel von einer Weltsicht zu bewahren versuchten, die längst nicht mehr den Gegebenheiten entsprach. Kaum jemand kann auch bestreiten, dass diesem Festhalten an einer obsolet gewordenen staatskirchenrechtlichen Konstruktion ähnliche Anachronismen im Bereich des Erziehungswesens und im Verhältnis zur historisch-kritischen Methode der modernen Wissenschaft entsprachen.“

So wird der wahre Geist des Kardinals Ratzinger deutlich, und er fügt hinzu: „Erst eine sorgfältige Untersuchung der unterschiedlichen Art und Weise, in der in den verschiedenen Teilen der Kirche die Annahme der Neuzeit vollzogen war, könnte das komplizierte Ursachengeflecht entwirren, das hinter der Gestaltwerdung der Pastoralkonstitution steht, und erst so könnte auch das Drama ihrer Wirkungsgeschichte durchsichtig werden. Begnügen wir uns hier mit der Feststellung, dass der Text die Rolle eines Gegensyllabus spielt und insofern den Versuch einer offiziellen Versöhnung der Kirche mit der seit 1789 gewordenen neuen Zeit darstellt.“

Alles das ist klar, und es entspricht allem, was wir immer wieder gesagt haben. Wir weigern uns, wir wollen nicht die Erben von 1789 sein!

„Erst diese Einsicht erklärt einerseits den Getto-Komplex ...; erst sie lässt anderseits den Sinn dieses merkwürdigen Gegenüber von Kirche und Welt verständlich werden: Mit ‚Welt‘ ist im Grunde der Geist der Neuzeit gemeint, dem gegenüber sich das kirchliche Gruppenbewusstsein als ein getrenntes Subjekt erfuhr, das nun nach heißem und kaltem Krieg auf Dialog und Kooperation drängte.“

Es muss festgestellt werden, dass der Kardinal den Gedanken der Apokalypse vom Kampf zwischen dem Wahren und dem Irrtum aus dem Blick verloren hat. Nun sucht man den Dialog zwischen Wahrheit und Irrtum. Man versteht die Fremdartigkeit dieser Gegenüberstellung von Kirche und Welt nicht mehr.

Weiter unten definiert der Kardinal sein Denken so: „Freilich muß man noch hinzufügen, daß sozusagen das Klima des ganzen Prozesses nun doch entscheidend von Gaudium et spes her geprägt war. Das Gefühl, daß es eigentlich keine Mauern zwischen Kirche und Welt mehr geben dürfe, dass jeder „Dualismus“: Leib – Seele, Kirche – Welt, Gnade – Natur, ja schließlich wohl gar noch Gott – Welt von Übel sei: dieses Gefühl wurde immer mehr zur richtungsgebenden Kraft des Ganzen.“

Kardinal Ratzinger steht an der Spitze der Glaubenskongregation, des ehemaligen Heiligen Offiziums. Mit einem solchen  Ausdruck seines Denkens – was kann man für die Kirche erhoffen von jemandem, dessen Aufgabe doch die Verteidigung des Glaubens ist?

Was den Papst anbetrifft, so hat er auf eine andere Weise denselben Geist. Sicher ist er Pole, aber die Grundlage seines Denkens ist die gleiche. Es sind dieselben Prinzipien, dieselbe Bildung, die ihn beseelen. Aus diesem Grunde verspüren sie weder Scham noch Erschrecken bei ihrem Tun, während wir entsetzt sind. Die Religion sei, wie wir es beim Liberalismus und beim Modernismus gesehen haben, ein inneres Gefühl.

Und so haben wir seit dem Tag, an dem wir unter Missachtung des Rechts von Bischof Mamie mit Unterstützung von Rom bestraft wurden, das nicht zur Kenntnis genommen und haben scheinbar nicht gehorcht. Es war aber unsere Pflicht, nicht zu gehorchen, denn man wollte uns den Geist von 1789 aufzwingen, den Geist des Liberalismus, den Geist des Gegen-Syllabus. Das haben wir verweigert, und wir weigern uns weiterhin. Es sind von diesem Liberalismus geprägte Männer wie Kardinal Villot, die uns verurteilt haben, und es ist dieses liberale Rom, das uns verurteilt hat. Damit aber haben sie die Tradition und die Wahrheit verurteilt.

Wir haben diese Verurteilung nicht anerkannt, weil wir sie für null und nichtig und für vom modernistischen Geist inspiriert halten. Was wir tun und was wir weiterhin tun werden, ist nichts anderes als für den Erhalt der Tradition zu wirken. Wir befanden uns also auf einmal anscheinend in einer Lage legalen Ungehorsams, aber wir haben weiterhin Priester geweiht, um den Gläubigen Priester zu geben für das Heil ihrer Seelen. Diese Priester haben ihren Dienst ausgeübt und sie üben ihn aus unter dem Anschein des Ungehorsams gegen den Buchstaben des Gesetzes. Und wir werden weitermachen, solange es der liebe Gott für gut hält.

Nicht wir sind es, die die Situation in der Kirche herbeigeführt haben, und diese verschärft sich immer mehr, unter verblüffenden Umständen. Vor zehn Jahren, vor der Thronbesteigung Johannes Pauls II., hätte sich niemand vorstellen können, dass ein Pontifex eines Tages diese Zeremonie in Assisi durchführen würde. Auf diese Idee wäre man niemals gekommen. Niemand hätte geglaubt, dass er in eine Synagoge gehen und diese ungeheuerliche Rede halten würde. Niemand hätte sich das vorstellen können. Auch das, was er in Indien getan hat, hätte man niemals begreifen können. Alles das wäre ganz unglaublich erschienen.

Wir wollen die Kirche fortsetzen

Nun, wir, die wir ein Zweig der Kirche sind, die wir offiziell von der Kirche approbiert sind, wir wollen die Kirche fortsetzen, das Priestertum fortsetzen, Seelen retten.

Man muss mich da richtig verstehen, ich sage nicht, dass die Priesterbruderschaft die Kirche ist, aber wir sind ein Teil der Kirche, so wie es die Sulpizianer, die Lazaristen, die Pariser Mission und so viele andere sind. Wir wurden als solche anerkannt, und wir bleiben es. Wir wollen keinen Wechsel.

Es gibt nur eine Kirche, von der wir ein kraftvoller Zweig sind, voller Saft und Kraft, von der Kirche vollkommen approbiert, wie auch die anderen Gesellschaften es früher waren, welche – leider – in der Mehrzahl jetzt einen natürlichen Tod sterben.

Wir meinen, dass die Priesterbruderschaft St. Pius X. von der göttlichen Vorsehung ins Leben gerufen wurde, um ein Leuchtturm zu sein, ein Licht in der Welt zur Rettung des wahren Priestertums, des wahren Messopfers, der Lehre und der Tradition der Kirche und der Wahrheit, um den Seelen das Heil zu bringen. Wir leben in einer wirklich außergewöhnlichen, wir glauben apokalyptischen Zeit, und wir müssen den lieben Gott anflehen, zum hl. Pius X., unserem Patron, beten, damit wir alle die Gnaden bekommen, die uns stärken.

Der liebe Gott hat mich fast schon gezwungen, die Priesterbruderschaft zu gründen, dieses Werk zu verwirklichen, das allem Anschein nach in seiner Entwicklung sehr wohl seinen Segen empfangen hat. Das abzuleugnen hieße, etwas Augenscheinliches abzuleugnen. Jedermann kann sich davon überzeugen.

Viele unserer Priester sind nun bereits seit mehr als acht Jahren, mehr als zehn Jahren Priester, und die Zahl der Katholiken, die sich um sie versammeln und die glücklich sind, sie zu haben, ist beträchtlich. Wie oft bekomme ich Briefe oder Danksagungen, wenn ich in den Prioraten bin: „Ach, Monseigneur, Ihre Priester! Welch ein Glück, dass wir Ihre Priester haben! Wie viel Gutes sie uns tun. Sie helfen uns und unseren Familien, katholisch zu bleiben. Wie sind wir Ihnen dankbar!“. Wie soll man da nicht das Eingreifen der Vorsehung sehen, wenn man alle die Berufungen von überall her sieht, und das trotz aller Angriffe, trotz aller subversiven Unternehmungen, mit denen versucht wird, uns zu zerstören. Da gibt es keinen Zweifel: der Teufel tut alles, was in seiner Macht ist, um uns zu spalten, um uns zu zersetzen, das ist klar. Unglücklicherweise hat er das in gewissem Maße auch geschafft: allzu zahlreich sind die, welche uns verlassen haben. In den letzten fünfzehn Jahren habe ich dreihundertsechs Priester geweiht, sechsundfünfzig davon für befreundete Gemeinschaften oder Klöster. In den ersten Jahren hat es natürlicherweise nicht viele Weihen gegeben. Die ersten bedeutenderen Weihen begannen mit dem Jahr 1975. In elf Jahren ist das schon eine recht beträchtliche Zahl, und das trotz aller Gegnerschaft, trotz der Verfolgungen gegen unsere Seminare, auch trotz der Entmutigung, die man bei den Seminaristen provoziert und die bei manchen dazu geführt haben, sich von ihrer Berufung abzukehren.

Wir wollen einig, mutig sein, wir wollen fest und sicher sein, wir wollen weitermachen. Der liebe Gott wird uns sicher segnen. Wir sollen nicht furchtsam zittern, sondern immer entschlossen sein, unseren Glauben zu verteidigen und weiterzugeben.

Louis Veuillot hat gesagt: „Zwei Mächte sind in der Welt lebendig und liegen im Kampf gegeneinander: die Offenbarung und die Revolution“.

Wir haben uns entschieden, die Offenbarung zu bewahren, wohingegen die neue Konzilskirche die Revolution gewählt hat.

In dieser Entscheidung liegt der Grund für unseren zwanzigjährigen Kampf.

Beten wir, bitten wir die Muttergottes, unsere Königin, welcher die Priesterbruderschaft geweiht ist, um ihre Hilfe.

Erzbischof Marcel Lefebvre

Aus: Fideliter Nr. 55, Januar/Februar 1987