Der Papst tut aber doch auch gute Dinge
Man wird uns sagen: „Aber Johannes Paul II. hat doch auch ein marianisches Jahr ausgerufen, er veröffentlicht Texte, die gar nicht schlecht sind …“ Nun, lesen wir noch einmal die Enzyklika Pascendi Papst Pius’ X., worin er sinngemäß sagt: „So sind die Modernisten. Lesen Sie eine Seite, und der Text ist vollkommen, streng rechtgläubig, ausgezeichnet.
Sie drehen die Seite um, und die stimmt dann überhaupt nicht mehr mit der Lehre der katholischen Kirche überein, sie steht völlig im Widerspruch zum Lehramt der Kirche.“ Genau das ist modernistisch. Im Modernisten stecken zwei Menschen: der eine, der sich katholisch nennt, und derjenige, der sich modern nennt, mit weltlichen Ideen, mit der Welt. Es gibt immer zwei Gesichter, zweifaches Denken, wie zwei Seelen … Das war auch typisch für Paul VI.: ein Mann mit zwei Gesichtern, mit zweifachem Denken. Genauso ist es mit Johannes Paul II. Mal ist das, was er tut, nicht schlecht, mal ist es ganz das Gegenteil, das ist genau modernistisch. Auf Männer wie diese kann man nicht zählen.
Ich meine also, dass wegen der Unmöglichkeit, beim Papst etwas zu erreichen, und wegen der Notwendigkeit des Fortbestandes des katholischen Priestertums dieses der Wille der Vorsehung sein kann.“
Vor den Zuhörern hat Erzbischof Lefebvre jene Fragen gestellt, die wegen einer solchen Möglichkeit am häufigsten auftauchen, und er hat die Antworten darauf gegeben. Sie lauten:
Frage: Werden die gegen den Willen Roms geweihten Bischöfe zwangsläufig schismatisch sein?
Antwort: Ich mache da eine Unterscheidung: Gegen das katholische und traditionstreue Rom: Nein, das ist wahr. Gegen das der Tradition untreue Rom: Ja.
F.: Betrachten Sie den aktuellen Papst als untreu?
A.: Im Sinne der Untreue zu seiner vorrangigen Aufgabe, welche darin besteht, seine Brüder im Glauben zu stärken: ja. Nicht nur, dass er sie nicht im Glauben stärkt, sondern er bringt sie vom Glauben ab.
F.: Es hat den Anschein, als ob Sie stillschweigend „Sedisvakantist“ seien?
A.: Nein. Ich sage doch nicht, dass es keinen Papst gibt oder dass er ein formaler Häretiker ist, wenn ich sage, dass der Papst seiner Aufgabe untreu ist. Ich glaube, man muss die Männer des jetzigen Rom und jene, die unter ihrem Einfluss stehen, wie die Bischöfe, so beurteilen, wie Papst Pius IX. und der hl. Pius X. die Liberalen und die Modernisten einschätzten.
F.: Wie schätzten sie sie ein?
A.: Papst Pius IX. verurteilte die liberalen Katholiken. Es gibt von ihm sogar diesen schrecklichen Satz: „Die liberalen Katholiken sind die schlimmsten Feinde der Kirche“. Was sollte er noch mehr sagen?
Jedenfalls hat er nicht gesagt: „Alle liberalen Katholiken sind exkommuniziert, außerhalb der Kirche und man soll ihnen die Kommunion verweigern“. Nein, er betrachtete diese Menschen als „die schlimmsten Feinde der Kirche“, und er hat sie doch nicht exkommuniziert. Der heilige Papst Pius X. hat in der Enzyklika Pascendi Dominici gregis ein ebenso strenges Urteil über den Modernismus ausgesprochen und ihn als „Zusammenfassung aller Häresien“ bezeichnet. Ich weiß nicht, ob man ein strengeres Urteil über eine Bewegung aussprechen kann! Und doch sagte er nicht, dass alle Modernisten nun exkommuniziert seien, außerhalb der Kirche, und dass man ihnen die Kommunion verweigern sollte. Er hat nur einige von ihnen verurteilt.
So meine auch ich, dass wir – wie jene beiden Päpste – sie streng beurteilen müssen, sie aber nicht zwangsläufig als außerhalb der Kirche stehend ansehen müssen. Darum will ich den „Sedisvakantisten“ nicht folgen, welche sagen: „Das sind Modernisten; der Modernismus ist die Zusammenfassung aller Häresien; also sind die Modernisten Häretiker; also stehen sie nicht in Gemeinschaft mit der Kirche: also gibt es keinen Papst...“. Mit einer solchen unerbittlich schonungslosen Logik kann man kein Urteil formulieren. In dieser Art zu urteilen liegt Leidenschaft und auch etwas Hochmut. Wir wollen diese Menschen und ihre Irrtümer so beurteilen, wie es die Päpste selbst getan haben.
Sicher ist der Papst Modernist, wie auch Kardinal Ratzinger und viele Leute ihrer Umgebung Modernisten sind. Wir wollen sie aber so beurteilen, wie die Päpste Pius IX. und hl. Pius X. sie beurteilt haben.
Darum übrigens beten wir weiterhin für den Papst und bitten Gott, ihnen alle Gnaden zu schenken, deren sie für die Erfüllung ihrer Pflicht bedürfen.
F.: Trotz der Exkommunikation schließen Sie die Möglichkeit nicht aus, Bischöfe zu weihen.
A.: Momentan weisen die Zeichen der Vorsehung eher in die Richtung der Notwendigkeit, diesen Akt zu vollziehen. Wir teilen aber mit Bischof de Castro Mayer denselben Standpunkt: Noch ein wenig Geduld.
Wenn ich es tue, dann tue ich es nicht heimlich. Ich werde in dem Sinne handeln, der mir in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes zu sein scheint.
F.: Fürchten Sie nicht, dass dann viele Gläubige durch die Exkommunikation erschreckt werden und Sie verlassen?
A.: Es ist möglich, dass eine gewisse Zahl uns verlässt. Viele aber habe die Lage begriffen, die in Rom herrscht: einerseits ist man nicht mehr katholisch, und andererseits ist man noch katholisch. Sie haben ihre Wahl getroffen. Sie wollen katholisch bleiben, mit unserem Herrn Jesus Christus, und die wirkliche katholische Kirche nicht verlassen. Es kann aber keinesfalls die Rede davon sein, eine Parallelkirche zu gründen, denn wir sind ein kraftvoller Zweig der Kirche, weil wir offiziell als solcher anerkannt wurden, auch wenn wir dann ungerecht und illegal verurteilt worden sind.
Zum Abschluss hat der Erzbischof noch hinzugefügt:
Ich meine nicht, dass es der Wille des lieben Gottes ist, dass die Priesterbruderschaft verschwindet, hat er ihr doch so viele Gnaden, so viel Segen geschenkt. Wenn wir also keine Priester mehr weihen, dann bleiben diejenigen, die Priester sind, natürlich auch Priester, aber will der liebe Gott nicht mehr als das? Will er nicht, dass dieses Werk fortbestehe, sich noch weiter ausbreite. Ich glaube nicht, dass der liebe Gott bis jetzt gesagt hat: „Vorwärts, vorwärts“, und dass er dann plötzlich sagt: „Halt!“. Wenn die Werke gut sind, dann will er, dass sie weitergehen.
Interview in Pacte, 1987